Community Economies – Förderung von Gemeinwohl und Nachhaltigkeit?


Was verstehen wir eigentlich unter Community Economies und warum sind Community Economies so wichtig für das Wohlergehen und ein nachhaltiges Leben in unserer Gesellschaft?

Gemeinschaftsbasierte Unternehmen, englisch Community Economies, sind Akteure, die in der Debatte über wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftliches Wohlergehen oft übersehen werden. Es handelt sich weder um klassische privatwirtschaftliche Unternehmen (Industrie, Handwerk), noch um öffentliche Einrichtungen (Stadtwerke, Krankenhäuser). Vielmehr geht es um Organisationen mit zivilgesellschaftlichem Hintergrund, die sich Aufgaben widmen, die entweder nicht in ausreichendem Umfang oder Format von staatlichen oder privaten Trägern angeboten werden, z.B. durch diese gemeinschaftlich organisierte Betreuung städtischer Grünflächen, oder die neue Aktivitäten und Organisationen pionierhaft aufbauen, um soziale oder ökologische Veränderungen voranzutreiben, z.B. lokale Energiegenossenschaften und Bürger:innen-Kraftwerke, oder die vielerorts entstehenden Repair Cafés oder Selbsthilfewerkstätten.

Das Nachbarschaftsprojekt LEIPZIG GIESST der Stiftung „Ecken wecken”: Einwohner:innen bewässern Bäume in öffentlichen Grünanlagen, um sie vor Austrocknung durch Sommerhitze und zu wenig Niederschlag zu schützen (Foto mit freundlicher Genehmigung der Stiftung „Ecken wecken”)

Gemeinschaftsbasierte Unternehmen unterscheiden sich von herkömmlichen Unternehmen grundsätzlich in mindestens zwei Punkten sehr: erstens hinsichtlich ihrer Motive und Ziele, zweitens in Fragen der Organisationsstruktur und Mitbestimmung. Anders als bei der Mehrzahl der marktlich orientierten Unternehmen gehören Aspekte wie Gewinnmaximierung oder Größenwachstum nicht zu den primären Unternehmenszielen. Stattdessen stehen Gemeinwohlinteressen im Vordergrund. Bei der lokalen Energiegenossenschaft etwa sind dies Fragen, was wie produziert wird, z.B. Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energieträgern, oder wie betriebliche Überschüsse sinnvoll re-investiert werden können. Gewinnerwartungen von Anteilseignern (Dividenden bei marktbasierten Unternehmen) werden dagegen nicht bedient.

In der Regel messen gemeinschaftsbasierte Unternehmen der demokratischen Partizipation große Bedeutung bei. Strategische Entscheidungen zur Unternehmensentwicklung oder zur Verwendung von Betriebserlösen etwa werden auf einer breiten Basis getroffen, z.B. von allen Mitgliedern der Kooperative des Unverpacktladens in Luxemburg. Damit wird nicht nur angestrebt, Gemeinwohlinteressen vor individuelle Erwartungen zu stellen, sondern auch das Ziel, Bürger:innen überhaupt in die Lage zu versetzen, an solchen Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Einwohner:innen eines Quartiers können als Mitglieder einer lokalen Food-Sharing-Initiative oder einer Mieter:innengenossenschaft mitbestimmen, welche Aktivitäten wie gestaltet werden. Sie nehmen damit direkt Einfluss auf ihr Lebensumfeld. All dies formt die sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern und bildet die Grundlage einer Community. Diese Community kann als Netzwerk betrachtet werden, das Handlungsmacht (auf Englisch: agency) erhält und somit als Unternehmung Tätigkeiten im Sinne der Mitglieder ausführt. Die Community selbst kann auf lokaler Ebene entstehen, gebunden an einen Standort, oder auch in überregionalen Netzwerken gleichgesinnter Initiativen organisiert und eingebettet sein.

KrimZkrams: Der Arbeits- und Verkaufsraum eines eingetragenen Vereins in Leipzig, wo Materialien zur Wiederverwendung gespendet werden können. Menschen benutzen diese entweder in Upcycling-Sessions, die vom Verein organisiert werden, oder bedienen sich an den Materialien gegen eine kleine Geldspende (Fotos mit freundlicher Genehmigung von kunZstoffe e.V.)

Wichtig ist, dass der hier verwendete Unternehmensbegriff über das hinausgeht, was gewöhnlich unter (Wirtschafts-)Unternehmen verstanden wird, nämlich eine formal verfasste Organisation, die marktliche Transaktionen tätigt, in Branchenstatistiken erfasst wird und entlohnte Arbeitsplätze anbietet, z.B. eine im Handelsregister eingetragene GmbH. Je nach Aktivitätsbereich, Struktur und Geschäftsmodell können auch gemeinschaftsbasierte Unternehmen in diese Rubrik fallen, z.B. eine regionale Genossenschaft, die einen solidarischen Landwirtschaftsbetrieb betreibt. Die Community Economies umfassen jedoch auch viele andere Arten von „Unternehmungen“, die diese formalen Kriterien nicht erfüllen. Eine Nachbarschaftsinitiative, die sich um die Betreuung von Migranten:innen aus Krisengebieten kümmert oder ein lokaler Tauschring für die Nutzung von Werkzeugen und Haushaltsgeräten sind meist weniger formal organisiert und anerkannt. Sie sind jedoch bedeutend und hoch-relevant für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Wohlergehen.

Fragen der sozialen Verteilungsgerechtigkeit und des Umwelt- und Klimaschutzes gehören zu den wichtigsten Aktivitätsbereichen, die häufig auch miteinander kombiniert sind.

Analog zum Begriff „Unternehmen“ ist auch der Begriff „Wirtschaft“ weiter zu fassen. Insofern geht er über die herkömmlich als Wirtschaft verstandenen und im Bruttoinlandsprodukt erfassten Aktivitäten hinaus. Durch die Erweiterung um die Community Economies werden auch Aktivitäten für unser Wirtschaftssystem als fundamental anerkannt, die sonst durch das Raster der Wirtschaftsstatistik und der politisch-medialen Aufmerksamkeit fallen. Neben den oben genannten Beispielen gemeinschaftsbasierter Unternehmen zählt hierzu insbesondere auch der Bereich familiärer Sorgearbeit (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder Freunden) oder das breite Spektrum ehrenamtlicher Tätigkeiten im sozialen, kulturellen, sportlichen oder ökologischen Bereich. Von Bedeutung ist, dass die aktionsorientierte Forschung zu Community Economies aus einer dezidiert feministischen Perspektive entstanden ist, und es sich somit auch um ein wichtiges gesellschaftlich-emanzipatorisches Projekt handelt.

Und nicht nur in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit wird den gemeinschaftsbasierten Unternehmen ein großes transformatives Potential zugestanden: Fragen der sozialen Verteilungsgerechtigkeit – sowohl im lokalen Kontext als auch in globalen Nord-Süd-Zusammenhängen – und des Umwelt- und Klimaschutzes gehören zu den wichtigsten Aktivitätsbereichen, die häufig auch miteinander kombiniert sind. Den Initiativen ist gemein, dass sie sich a) von rein marktwirtschaftlichen Gewinn- und Wachstumslogiken abkoppeln und b) alternative Wege der Produktion, Organisation und Steuerung aufzeigen. Oft sind sie Ausgangspunkt sozialer Innovationen, etwa wenn es um inklusive Prozesse der Entscheidungsfindung oder der solidarischen Finanzierung geht.

In unserem AltFin-Projekt beschäftigen wir uns nicht nur mit Fragen von Transformation und Innovation, sondern insbesondere mit der Frage, ob und wie gemeinschaftsbasierte Unternehmen auch alternative Formen ihrer Finanzierung entwickeln. Dies geschieht teilweise als Folge des ihnen verwehrten Zugangs zu üblichen Finanzierungsquellen, weil viele Banken Schwierigkeiten haben, die Kreditwürdigkeit vieler Initiativen zu beurteilen. Teilweise lehnen die Initiativen aber auch traditionelle Finanzierungsinstrumente (Kredite, Beteiligungskapital) bewusst ab, da sie von den Zins- und Ertragslogiken finanzialisierter Finanzmärkte unabhängig bleiben wollen. Diese Fragen werden im Vordergrund unseres nächsten Blog-Beitrags stehen.

Die verschiedenen Beispiele an Initiativen im Text:

Für weitere Lektüre:

Gibson-Graham, J. K., Jenny Cameron, and Stephen Healy. 2013. Take Back the Economy: An Ethical Guide for Transforming Our Communities (University of Minnesota Press).

Gibson-Graham, J. K., and Kelly Dombroski (ed.)^(eds.). 2020. The Handbook of Diverse Economies (Edward Elgar Publishing: Cheltenham, UK).

Lange, Bastian, Martina Hülz, Benedikt Schmid, and Christian Schulz. 2020. Postwachstumsgeographien: Raumbezüge diverser und alternativer ökonomien (transcript Verlag: Bielefeld).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert